Annapurna by bicycle - 4. Tal - Timang


15. Oktober 2017

 

Im Nachhinein betrachtet, nehme ich an, dass es ungefähr 2 Uhr 30 ist, als ich wach werde. Der Grund dafür liegt allerdings in den Sekunden davor.

 

Habe ich das nur geträumt, oder war das wirklich so? Ihr kennt das wahrscheinlich. Träume fühlen sich manchmal so realistisch an, als würde es die Wirklichkeit sein.

 

Ich muss mich in einer Tiefschlafphase befunden haben. Deswegen benötige ich jetzt auch gefühlt recht lange bis ich einigermassen wach bin. Ich schaue mich im Zimmer um, blicke durchs Fenster nach draußen. Lausche, ob ich irgendwelche Geräusche oder gar Menschenstimmen höre. Nichts.

 

Nachdenklich finde ich langsam zurück ins Land der Träume.

 

Am Abend des folgenden Tages, als wir zusammen mit drei jungen Backpackern im Restaurant unseres Guesthouses sitzen, werde ich Ohrenzeuge eines Gesprächs in dessen Verlauf eine junge Frau gegenüber ihrem Freund plötzlich das entscheidende Wort fallen läßt: EARTHQUAKE.

 

Sofort schalte ich mich in das Gespräch ein und bekomme sofort die Bestätigung. Ich habe nicht geträumt. Mein Bett hatte sich zuerst einige Sekunden lang langsam vor und zurück bewegt, gefolgt von einem mächtigen Rüttler. Das war´s dann gewesen.

 



 

Am Morgen nach dem Erdbeben verlasse ich Tal am Ortsende über einen schmalen Weg der sich hinter dem Dorf noch etwas durch den sandigen Untergrund windet, bevor er felsig, teils über zahlreiche Stufen, nach oben steigt.

 

Bereits in der Ebene habe ich großes Glück an diesem Morgen, als ich einen am Boden liegenden Stacheldrahtzaun überfahre ohne mir dabei einen platten Reifen einzuhandeln.

 

Kurz danach heißt es dann erneut, das Mountainbike am Lenker Stufe für Stufe nach oben wuchten, die Bremsen ziehen, den Lenker als Steighilfe benutzen, sich daran langsam und vorsichtig hochziehen und dabei versuchen unten mit den Füßen ein, zwei sichere Schritte zu gehen um Boden gut zu machen.

 

So kämpfe ich mich an diesem Morgen gut eine Stunde durch das ansteigende

Gelände, von kurzen, flowigen, fahrbaren Trailpassagen unterbrochen. Es macht Spaß, früh morgens, wenn Geist und Körper noch ausgeruht sind, schon unterwegs zu sein. Nur meine rechte Schulter, an der ich mir 2007 im Bikepark von Livigno drei Bänder der Rotatorenmanschette abgerissen hatte, machte sich unangenehm bemerkbar. Zum ersten Mal seit 10 Jahren!

 

Kurz vor acht Uhr kommt dann die Hängebrücke in Sicht, über die ich auf die andere Flußseite gelange.

 



 

Die folgenden mehr als zwei Stunden kann ich dann nach Herzenslust Strecke machen. Will heißen, es geht moderat auf und ab, wobei ich aber doch langsam Höhe gewinne. Zuerst noch im Schatten, später dann in der wärmenden Sonne. Immer wieder überhole ich Gruppen von Wanderern, bewältige kleinere Anstiege und tobe mich in den Abfahrten aus, rase durch Pfützen oder spiele einfach mit dem Gelände. Welch´ ein Heidenspaß!

 


 

Ich komme so gut vorwärts, dass ich mich bereits kurz vor 11 Uhr entschließe,  Rast zu machen. Nachdem ich mein Dal Baht bestellt habe, beginne ich meine Wäsche von Hand auszuwaschen. Anschließend hänge ich alles zum Trocknen in die Sonne.

 

Das Essen genieße ich auf der wunderschönen Dachterrasse, nachdem ich es mit frisch geschnittenen Chillies kräftig nachgewürzt habe.

 




 

Im ORTLIEB Handlebar-Pack verstaue ich meine wärmere Kleidung in zwei Eagle Creek Pack-it Kompressionsbeuteln Gr. M. Die Dinger begeistern mich immer wieder. Einfach eine super Sache.

 

In mein Accessory-Pack wandert meine Kulturtasche zusammen mit einem kleinen Erste-Hilfe-Beutel, Asthmaspray und Desinfektionsmittel, Diamox (gegen Höhenkrankheit) und Schmerztabletten.

 

Links am Ende, mit leichtem Zugriff, kommt die GoPro samt Brustgurt (Helm- und Kopfhalterungen sind so was von "out";-) und eine kleines Fotoetui mit jeweils vier Ersatzakkus für meine Panasonic Lumix GMT und die GoPro.

 

Rechts ins Handlebar-Pack kommt das WC-Papier. Wenn es mal unverhofft schnell gehen muß, komme ich so am besten an den weißen Zellstoff:-)

 



 

Letztes Jahr in Vietnam habe ich viel Zeit damit verbracht, einen perfekten Rucksack für mich als radelnden, digitalen Teilzeitnomaden zu finden. Und ich bin fündig geworden. Nach nun gut neun Monaten bin ich absolut begeistert von meinem NORTHFACE RECON. Zunächst bewährte er sich im Alltag meiner Moutainbike Fahrtechnik Kurse, im Sommer dann bei einer Alpenüberquerung und nun auch während meines 6-monatigen Nomadenlebens in Asien.

 


 

Da passt einfach alles rein: Macbook Pro, iPad mini, iPhone 6 Plus, Ladegeräte, Akkus, Werkzeug, noch ein Kompressionssack mit Klamotten, und, und, und.

 

Auf den Annapurna Circuit nehme ich allerdings nur das iPad mini und meine iPhone mit. Das reicht aus, um bei Bedarf mit meinen Kunden zu kommunizieren.

 

Außderdem im Rucksack: die wichtigsten Inbusgrößen, Ladegeräte samt Kabel für die Digicam und die Gopro, eine Powerbank, mein Survivalmesser, Kabelbinder, zwei Sätze Bremsbeläge, eine Bürste um das Fahrrad zu reinigen und Kettenöl.

 

Das wichtigste Teil aber ist mein Schlafsack, ein Mountain Equipment Glacier 1000. Den stopfe ich als vorletztes in meinen Rucksack. Oben drauf kommen nur noch meine mobilen P3-Kopfhörer von Bowers & Wilkins und meine Lupine Picco mit Stirnband.

 



 

Nach dem Dal Baht döse ich noch etwas in der Sonne und im Schatten. Meine Schulter gefällt mir gar nicht. Und das rechte Knie ist auch dick geschwollen. Es fühlt sich an, als hätte ich einen Tennisball in der Kniekehle.

 

Woher das kommt, weiß ich. Anfang August, bei unserer Alpenüberquerung, nach einer mehrstündigen Bergabpassage, bei der wir unsere Bikes geschoben hatten, war das Knie auch schon angeschwollen. Kurz vor Abreise hatten zwei Cortisonspritzen den Entzündungsprozess gestoppt. Nun kämpfe ich wieder mit demselben Thema. Zeit löst Probleme. Hoffentlich.

 


 

Der Nachmittag spaltet meine Gefühlswelt einmal mehr. Ich durchwandere und durchfahre eine bis dato unbeschreiblich schöne, ja fast schon dramatisch anmutende Landschaft. Ausgesetzte Fahrbahnen, gähnende Abgründe, tosende Wassermassen, herrliche Bergwälder, dschungelartige Vegetation, supersteile Rampen und sandige, fahrbare Abschnitte.

 

Weit unten sehe ich das Dorf, in dem ich Mittagspause gemacht habe. Über mir in der Ferne leuchten weiße, schneebedeckte Giganten.

 



 

Wann kommt endlich Timang? Kehre auf Kehre, doch weit und breit kein Dorf in Sicht, in dem meine Tagesetappe zu Ende sein wird. Stattdessen nepalesische Pflasterstraßen. Unfahrbar selbst für ein Mountainbike. Gut für die Jeeps, die damit den nötigen Grip unter die Reifen bekommen. Nepalpflaster nenne ich es, weil es unseren Pflasterstraßen ähnelt. Doch im Unterschied zu unseren oben flach abgeschliffenen Steinen nutzt man hier augenscheinlich jeden Stein, in dem man ihn Kopfüber im Boden versenkt. Fertig ist die Straße.

 

Die Sonne ist auch schon längst aus diesem Art Urwald ausgesperrt worden. Es wird langsam nasskalt. Etwas, das ich so gar nicht leiden kann. Missmutig stapfe ich vor mich hin. Schaue immer wieder hoch. Noch eine Kehre. Ich habe keinen Bock mehr. Will duschen, essen, ausruhen. Doch weit und breit sind keine menschlichen Behausungen zu sehen.

 

 

Als ich Timang endlich erreiche, steuere ich direkt auf das erste Guesthouse zu. Feierabend für heute. Meine Schulter schmerzt wie entzündet, der Tennisball blockiert das Knie. Kann ich morgen weiter?

 

Wie so oft auf meinen Unternehmungen kommt Hilfe von oben. Doch das kann ich zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen.

 


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