Annapurna by bicycle - 2. Besisahar - Bahundanda


13. Oktober 2017

 

Der Wecker ist auf 5 Uhr gestellt, doch ich wache automatisch etwas früher auf. Klar, das Warten hat ein Ende. Heute geht es endlich los!

 

Kurz die Zähne geputzt, alle Sachen in meinem Rucksack und Packtaschen verstaut und das winzige Zimmer noch mal geprüft. Zu gerne lasse ich Ausrüstungsgegenstände zurück. Anschließend versuche ich die Treppen hinunter ins Restaurant fehlerfrei zu bewältigen, was angesichts der hohen und steilen Stufen oft nicht einfach ist. Doch dazu später mehr.

 


 

Zum Frühstück habe ich mir "tibetian bread" - also tibetisches Brot - und zwei Tassen süßen Milchtee bestellt. Übernachtet man wie ich in einem Guesthouse während des Trekkings, dann wird man dazu aufgefordert, bereits am Abend vorher die morgendliche Mahlzeit zu ordern. Das hat einfach den Sinn, daß die Betreiber besser planen können und man keine Überraschungen zwecks der Frühstückszeit erlebt. Denn der Wunsch entspricht nicht immer der Wirklichkeit, wie ich am nächsten Morgen erfahren werde.

 


 

Stehend rolle ich auf meinem Bike direkt aus dem Hoteleingang auf die Straße, pedaliere ein paar hundert Meter weiter und finde mich direkt in der ersten Abfahrt wieder.

 

Steil geht es zuerst ein Stück Beton und danach ein üble Geröllpiste mit kindskopfgroßen Steinen nach unten.

 

Einfach herrlich, dieses Gefühl von Freiheit, wenn man sich aus eigener Muskelkraft vorwärts bewegt. Umgeben nur von Luft und Natur.

 

Immer wieder stelle ich fest, daß ich mich in geschlossenen, künstlichen Räumen, wie Zimmern oder normalen PKWs irgendwie nicht wohl fühle.

 

"Draußen" - das ist meine Welt.

 


 

Schnell erreiche ich den ersten Checkpoint. Der junge, freundliche Nepalese prüft meine TIMS Card (die meiner Sicherheit dienen soll, falls ich verloren gehe), trägt mich in ein Buch ein und schon darf ich weiterradeln.

 


 

Noch fahre ich im Schatten, doch in der Ferne grüßen schon die schneebedeckten Riesen. Was für ein Anblick! Ich fühle mich großartig!

 

Vorbei an einem Kraftwerk, made by chinese people, über eine Stahlbrücke geht es kurz darauf überraschenderweise in ein Tunnel. Zum Glück ist der beleuchtet. Auf der anderen Seite erwarten mich endlich die warmen Sonnenstrahlen und eine einwandfreie Straße.


 

Ein paar Jungs, auf dem Weg in die Schule, kommen mir entgegen. Sofort steht mein Mountainbike im Mittelpunkt ihres Interesses. Selbsterklärend, daß ich es mir nicht entgehen lasse, den Jungs ein paar Testfahrten zu ermöglichen.

 

Nur das mit dem Anfahren klappt nicht so richtig, also gebe ich eine kostenlose Fahrtechnikeinweisung. Staunend und glücklich lasse ich die kleinen Kerle hinter mir. Oft bedarf es nur sehr wenig, um ein Lächeln in die Gesichter von Menschen zu zaubern.

 



 Über Bulbule geht es nach Nadi Bazar, wo ich den Fehler mache, bereits um kurz vor 11 Uhr die Mittagspause einzuläuten. In einer kleinen Seitengasse des beschaulichen Dorfes lasse ich mich in einem typisch nepalesischen Restaurant nieder und bestelle Wasser, Knoblauchsuppe und Chapatibrot.

 

Fast neunzig Minuten verbringe ich an diesem schattigen und damit kühlen Plätzchen, während draußen die Sonne immer höher steigt.

 


 

Gegen 12 Uhr 30 entscheide ich mich weiter zu fahren. An einem zweiten Wasserkraftwerk vorbei, über eine meiner geliebten Stahlbrücken (ich finde die irgendwie ästhetisch) geht es von nun ab den Rest des Tages auf einer Piste stetig bergauf. Und das in der sengenden Mittagshitze. Wie doof muss man sein?

 

Gerne nutze ich daher hin und wieder einen Aussichtspunkt um inne zuhalten, die Landschaft und den Ausblick zu genießen und um mich einfach auszuruhen.

 



 

Die letzten zwei Kilometer werden dann gnadenlos steil, verblockt und sandig. Mit einem Wort: unfahrbar. Meter für Meter kämpfe ich mich vorwärts, schaue immer wieder hoch zum Dorf und kann es nicht fassen, dass Menschen freiwillig in solchen steilen Gefilden ihr Dasein fristen. Serpentine für Serpentine, Rampe für Rampe arbeite ich mich nach oben und bin irgendwann am Ziel.

 


 

Dort angekommen, muss ich feststellen, dass ich die Rechnung ohne den Wirt gemacht habe.

 

Oder besser gesagt ohne den Hotelbesitzer bzw. dessen Architekten.

Es warten weitere fünfzig steile und hohe Treppenstufen auf mich, mein Bike und mein Gepäck. Und das ohne Geländer, an dem man sich festhalten könnte. Bergsteigen erscheint mir dagegen wie ein Kinderspiel. Ich könnte brechen.

 

Oben angekommen, kann ich meinen Unmut über die Treppe nicht verhehlen. Der Sohn des Hotelbesitzers hört sich alles geduldig lächelnd an, um mir dann zu erklären, dass Nepalesen in der Regel deutlich kleiner gewachsen sind als wir westliche Menschen und damit auch kürzere Beine haben. Das wiederum würde sie befähigen, solche Treppenstufen einfacher zu bewältigen als wir.

 

Dieser Logik kann man folgen, muss man aber nicht;-)?

 


 

Am Ende diesen ersten Tages ist mein Optimismus förmlich in der Sonne weg geschmolzen. Mich plagen starke Zweifel. Wenn ich jetzt schon solche Probleme habe, wie will ich jemals bis auf mehr als 5.000 Meter Höhe kommen?

 

Total geplättet von der ersten Etappe sitze ich noch lange auf der kleinen Terrasse, esse exotische Früchte, fülle meine Flüssigkeitsspeicher wieder auf und genieße einfach die herrliche Aussicht.

 



 

Nach dem Abendessen, in Form von Dal Baht, schöpfe ich wieder neuen Mut. Morgen ist ein neuer Tag. Neuer Tag - neues Glück.

 

Der erste Downhill wartet auf mich. Das Frühstück ist für 6 Uhr bestellt...

 


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