Mae Lha - die Stadt, die es nicht gibt


Plötzlich fällt es mir ein!

 

Am Highway 105, auf dem ich seit heute morgen, als ich in Mae Sot gestartet bin, radle, sollen sich zwischen Straßensperren dicht an dicht tausende Hütten drängen. An zwei dieser Kontrollpunkte bin ich schon vorbei, aber Hütten habe ich nicht gesehen. Alles ist ruhig. Zu ruhig. Habe ich sie etwa verpasst?


Da, noch ein Checkpoint.

 

Und dann tauchen plötzlich wie aus dem Nichts, links neben der Straße, graue Dächer auf. Sie erinnern mich sofort an den Vietnam-Kriegsfilm Apokalypse Now.

 

Haben die Vietkong-Dörfer im Film nicht auch so ausgesehen? Und warum sind die links der Straße? In meinen Vorstellungen habe ich die IMMER rechts gesehen. Erst abends, beim Schreiben dieses Blogs, wird mir klar, warum die Stadt sich links der Straße (von Süden kommend) befindet.

 



 

Ganz einfach: wenige hundert Meter weiter ist die Grenze zu Myanmar (früher Burma oder Birma). Und von dort sind die Einwohner dieser Stadt geflüchtet.

Zur Straße hin verhindert ein Stacheldraht und zahllose Wachen eine weitere Flucht ins Landesinnere von Thailand.

 

Hier sollen zwischen 30.000 und 50.000 (!) Refugees unter bedrückenden Bedingungen, an denen sich so bald nichts ändern wird, leben. Die Vereinten Nationen haben ihr Umsiedlungsprogramm für Flüchtlinge aus Birma im Juni 2013 "auslaufen" lassen.

 

(Quelle: Stefan Loose Reiseführer Thailand)

 



 

Dass mein Hinterreifen ausgerechnet jetzt Luft verliert, ist mir beim Anblick der Stadt, relativ gleichgültig. Es kommt mir geradezu lächerlich vor, mir darüber Gedanken zu machen. Wenn er platt ist, ist er platt, das merke ich dann schon.

 

Gebannt schaue ich zwischen den Bäumen und dem Stacheldraht hindurch. Hier liegt eine Frau in der Hängematte und telefoniert. Dort sehe ich einen Stall mit Nutzvieh. In größeren Abständen tauchen große, geschlossen Hallen auf.

 

"Warehouse, Sektor B" lese ich auf einer davon. Gruselig. Gespenstisch. Sind das die richtigen Worte, für das, was ich da sehe? Es ist sehr ruhig. Man hat das Gefühl in dieser Stadt wird nur mit gedämpfter Stimme gesprochen.

 


 

Zwei kleine Burmesen haben mich entdeckt und kommen freudestrahlend an den Stacheldrahtzaun, versuchen mit mir zu kommunizieren, freuen sich riesig mich zu sehen, so habe ich den Eindruck. Der kleinere von beiden winkt mir zum Abschied hinterher.


 

Mehr als 3 km radle ich am Camp entlang. Immer mehr werden die Ausmaße sichtbar. Dach an Dach türmt sich die Stadt auf, bis hinauf zu den Karstbergen. Unvorstellbar.

 



 

Ein anderer kleiner Burmese kommt aus dem Camp durch den Holzzaun gekrochen und steht sprachlos mit großen Augen vor mir.

 


Ich gebe ihm etwas Geld. Ein weiterer Junge kommt von der anderen Straßenseite angelaufen. Auch er erhält den gleichen Betrag von mir.

 

Misstrauisch schauen sie sich um. Wahrscheinlich dürfen sie nicht betteln, aber das haben sie auch nicht getan.

 

Außerdem, wer kommt hier schon vorbei? Autos, Busse, Roller. Fußgänger oder Wanderer bestimmt nicht. Und alle Schaltjahr mal ein Radfahrer...

 


 

Wie heißt es im Reiseführer?

 

"Da der Highway an der birmanischen Grenze entlangführt, sollte er aus Sicherheitsgründen nur tagsüber befahren werden."

 

Was für Sicherheitsgründe, frage ich mich...

 


 

Mae Lha - das Flüchtlingscamp, das eigentlich eine Stadt ist, ist auf keiner Karte eingezeichnet. Aber sie existiert.

 


 

Randnotiz:

 

Habe mein Tagesziel Tha Song Yang nach knapp 90 km und mehr als 860 Höhenmetern erreicht, nachdem ich unterwegs den defekten Schlauch durch einen neuen ersetzt habe.

 



 

Ein paar junge Mountainbiker haben mich zuerst zu einem wahren Palast von einem Hotel gebracht und mich später noch zum besten Restaurant der Ortes eskortiert.

 

Hilfsbereitschaft. Gastfreundschaft. Menschlichkeit.

 


 

Die nächsten drei Tage (von 01.11. bis 03.11.) liegen ungefähr 150 km und 3.000 Höhenmeter vor mir. Die wollen gut geplant sein, da es auch nur zwei Übernachtungsmöglichkeiten gibt.

 


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