Angkor Wat und eine große Selbsterkenntnis


Pünktlich zu meinem 53. Geburtstag,  hat sich heute morgen gegen 1 Uhr die presenile Bettflucht bei mir bemerkbar gemacht. Der Wecker war für 4 Uhr gestellt, tatsächlich wach geworden bin ich kurz nach 1 Uhr. Und das, obwohl ich erst um 23 Uhr schlafen gegangen bin.

 

Also habe ich mich literarisch mit Hilfe meines Reiseführers von Stefan Loose und des Buches "Kollaps" von Jared Diamond, auf meinen dritten Besuch von Angkor Wat, vorbereitet.

 

Dritter Versuch, trifft die Sache aber wahrscheinlich besser.

 

Beim ersten Mal, am Montag, war ich einfach zu spät dran gewesen. Beim hinausradeln, zum Angkor Wat Geological Park, hatte ich bemerkt, daß mein hinterer Reifen Luft verliert. Also hatte ich eine Kehrtwende gemacht und erst mal gefrühstückt, abgewartet wie sich der Reifen verhält und war erneut gestartet.

 

Bei der Ankunft am Damm, dem großen Hauptzugangsweg, stelle ich mit Entsetzen fest, daß hier für meinen Geschmack einfach viel zu viele Menschen sind. Außerdem war ich davon ausgegangen, daß ich mein Rad überallhin mitnehmen kann, hieß es doch, Angkor Wat sei ideal mit dem Bike zu erkunden, wie damals in Bagan.

 

Tatsächlich muß ich es hier bereits anschließen, es mehrere Stunden unbeaufsichtigt lassen und meine Packtasche ist auch zu schwer, sie den ganzen Tag mit mir rumzuschleppen.

 

Okay, etwas frustriert entscheide ich mich, den Tag einfach dafür zu nutzen, das ganze Areal (400 qkm) per Fahrrad zu erkunden um mir eine erste Übersicht zu verschaffen.

 

Entlang des riesigen Wasserbassins, das fast ganz Angkor Wat umschließt, radel ich Richtung Osten. Ab und zu halte ich an, will in Ruhe etwas auf mich wirken lassen und fühle mich mehrmals durch irgendwelche Security-Mitarbeiter gegängelt.

 



 

Kaum habe ich angehalten und will mich in Ruhe orientieren, werde ich in meiner Konzentration durch Anweisungen wie "hello Sir, you have to park your bike here" unterbrochen. Und da ist es wieder, mein grundsätzliches nichtakzeptieren von vermeintlichen Obrigkeiten. In solchen Fällen fahre ich einfach weiter die von mir gewählte Route, stelle mein Rad ab, wo ich es möchte und ignoriere diese Schafe.

 

Ist doch wahr!

 

Meiner Wahrnehmung nach, speziell in Cambodia, können Fahrer von Autos, allen voran, dieser, meiner Meinung nach schwachsinnigen, unförmigen vehicles - kurz SUVs genannt - einschließlich der TukTuks, machen, fahren und parken wie sie wollen, nur Fahrradfahrer werden ständig gemaßregelt.

 

Es kotzt mich immer mehr an.

 

In Phnom Penh habe ich deswegen schon ein Lokal unter lautstarkem Protest verlassen. Und wer mich gut kennt, der weiß, daß das sehr selten vorkommt.

 

Wegen mir als Person würde ich kein so ein Faß aufmachen, aber das platzsparende, ökölogisch und verkehrstechnisch sinnvollste Fortbewegungsmittel dauernd zum Parkplatzproblem zu erheben, mutet einfach lächerlich an!

 

Weiteres Beispiel gefällig?

 

Heute mittag sitze ich in einem schönen Gartenlokal und genieße den exzellenten Salat, als keine 5 Meter entfernt von mir, ein Kambodschaner mit seinem Kleintransporter mein Reiserad rammt und ein Stück mitschleift, obwohl ich mein Bike so nahe wie möglich am Bordstein geparkt und abgeschlossen hatte.

 

Wutentbrannt gehe ich auf ihn zu und was sehe ich? Mit einem Handy am Ohr kommt er telefonierend um die Ecke. Kein Wort, keine Geste der Entschuldigung. Nee, er packt auch noch mein Bike ab und schleift es einen Meter zurück!

 

Sind wir eigentlich das neue Freiwild? Habe ich was verpasst? Wurden wir in meiner Abwesenheit in der Zwischenzeit zum Abschuß freigegeben? Autofahrer dürfen alles, Radfahrer nichts.

 

Nochmal zum mitschreiben:

 

wir sind nicht das Problem, sondern das Auto-Mobil, das seinen Namen nicht mehr verdient. Unter Mobilität verstehe ich persönlich etwas anderes, als tagtäglich rund um die Welt endlose Staus zu produzieren, die Luft zu verpesten, das Klima zu verändern und Zigtausende von Menschen zu töten.

Ganz abgesehen von der Aggressivität, die durch die Insassen weltweit verbreitet wird und nun auch bei mir angekommen ist.

 

Ommmmmmmm.

 

Alles ist gut....

 

Nur, das mußte mal raus ;-)

 


 

Zurück nach Ankor Wat.

 

Überall sind mir deutlich zu viele Autos, zu viele aufdringliche Verkäufer, zu viele Tuktuks, zu viele Menschen die für Selfies in ihre Smartphones-Kameras grinsen.

 

Es ist ja nicht so, daß ich nicht auch ab und an ein Selfie (Selbstporträt) mache, aber wenn ich sehe, wie eine junge, westliche Frau, alle 5 Meter künstlich in ihre Kamera grinst, als sei die ganze Welt live zugeschaltet, nein, da hört es dann doch für mich auf, bevor es anfängt.

 

Oder der junge Engländer, der vor mir am Schalter sein Eintrittsticket bezahlt und vor lauter Selbstdarstellungstrieb vergißt, es mitzunehmen. Ich folge ihm mit meinem Blick. Er stellt sich keine 5 Meter weiter in Pose, streckt seinen Selfiestick samt GoPro-Filmkamera über seine vermeintlich hohle Rübe und beginnt mit der Ansage, die die Welt verändern wird: "so, i´v bought my ticket..."

 

Am meisten Sorgen mache ich mir bei solchen Kandidaten um ihr persönliches Umfeld. Sind die genauso bescheuert und wenn ja, über wieviele Menschen reden wir da.

 

In England?

In UK?

In Europe?

Weltweit?

 


Je länger ich an diesem Tag unterwegs bin, umso mehr verdichtet sich das Gefühl: ich fühle mich am besten, wenn ich keine Menschen weit und breit sehe, wenn kein Motorengeräusch den Klang der Natur unterbricht. Dann ergötze ich mich an den tausenden von unterschiedlichen Farbtönen, ausgehend von den Farben rot, grün und gelb.

 

Genieße die Ruhe, bestaune die riesigen, uralten Bäume, folge schmalen Pfaden mit meinem Blick und frage mich, wo sie wohl hinführen.

 

Je öfters ich anhalte, umso klarer wird mir: diese toten Steine bedeuten mir nichts. Wie vieles, das von Menschenhand geschaffen wurde.

 

Bagan in Myanmar war deswegen anders, weil es das Gesamtbild war, das mich beeindruckte. Das Zusammenspiel von Landschaft und Pagoden bei Sonnenaufgang.

 

Mir gefallen auch Hängebrücken aus Eisen und Stahl oder alte Industriedenkmale in England und Deutschland aus dem Industriezeitalter. Gebaut aus rotem Backstein und mit riesigen Eisenträgern. Ich habe keine Ahnung warum...

 

Am besten gefallen mir jedoch die Monumente, bei denen kein Mensch die Hand im Spiel hatte. Die drei Zinnen, der Everest, die Eiger-Nordwand, die Kampenwand, die ich vom Schlafzimmer aus sehen kann, wenn ich meine Mutter im Chiemgau besuche.

 

Riesige Wälder, neblige Moore, das Dead Vlei am Rande der Namib. Wüsten und Gebirge, Canyons und Seen, das Meer. Aber Angkor Wat?

 


 

Gestern abend dann der zweite Versuch. Sunset oder Sonnenuntergang auf deutsch.

 

Wieder warte ich, daß etwas passiert. Frage mich nach der Erwartungshaltung der anderen Menschen. Wieder sind es Tausende.

 

Gehe das erste Mal über den Damm, schreite zum ersten Mal durch eines der Portale und sehe zum ersten Mal die Türme. Es reißt mich nicht mit.

 


 

 

 

Der Höhepunkt ist der Moment, als ich drei Mönche entdecke. Abseits vom ganzen Rummel. Weit weg von all den vielen Menschen, dem Geplapper und dem Gewusel.

 


 

Heute morgen dann der dritte und - ich nehme es vorweg - letzte Versuch. Sonnenaufgang.

 

Nichts. Nur zigtausende von Menschen.

 

Die Perspektive - für mich nicht spektakulär. Das heraufziehen der Sonne - ja, sie ging auf...

 

Dann betrete ich das eigentliche Angkor Wat. Den äußeren Bereich. Hunderte Meter von wunderbaren Reliefs mit hauptsächlich kriegerischen Szenen. Ein Blick genügt mir. Das ist nicht meins. Ich betrete den zweiten Bereich. Schaue rechts, schaue links. Schaue hoch zu den Türmen von Angkor Wat. Das beeindruckt mich nicht. Berührt mich nicht. Ich weiß nicht, was ich hier soll.

 

Okay. Der Vollständigkeit wegen gehe ich in den dritten, den inneren Bereich.

Ich hätte es mir sparen können.

 

Anschließend steige ich langsam und vorsichtig die steilen Stufen hinab.

Schaue mich immer wieder um. Versuche etwas zu sehen, was für mich nicht sichtbar ist. Nichts. Gar nichts, was ich mit diesem weltweit, einmaligen Gebäude anfangen kann.

 


 

Als ich Angkor Wat durch das Osttor verlasse, wende ich meinen Blick nach links. Das von den Khmer künstlich angelegte Wasserbecken gefällt mir da schon deutlich besser.

 

Die Natur am Ufer, so schlicht und einfach sie sich darstellt, ist endlich wieder etwas, was mein Herz und meine Seele berührt. Hier fühle ich mich wieder wohl.

 

Anders sein. Nicht einfach.

 


 

Vielleicht war ich in einem meiner vorherigen Leben ein Thai.

 

Siem Reap bedeutet wörtlich:

 

Ort der Niederlage der Siamesen und bezieht sich auf einen Sieg der Khmer über das Heer des Thai-Königreiches Ayutthaya im 17. Jahrhundert.

 

(Quelle: wikipedia)

 


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