Alles gut ?

Am Samstag, war ich ja mehr schlecht als recht eine Etappe weitergekommen. Kurz vor Chumpon, das Zimmer hatte nur 300 Baht (8,26€) gekostet, hatte ich übernachtet. Ich weiß noch, daß ich mich tierisch gefreut habe, ein so billiges Zimmer erwischt zu haben. Essen und trinken wollte ich ausgiebig von den 200 Baht Differenz zu meinem normalen Übernachtungsbudget. Doch ich war zu müde, mich dazu aufzuraffen. Essen, das leidige Thema meines derzeitigen Lebens,

Wenigstens habe ich das Gefühl, ausgiebig geschlafen zu haben und freue mich auf die "Straße". 7:15 Uhr ist Abfahrt. Rein nach Chumphon und dann links weiter Richtung Nordosten. Richtung Golf von Thailand. Da ich ein Faible für schöne, alte Bahnhöfe habe, schaue ich mir den in Champhon natürlich an.

Wieder kommt ein bischen Erinnerung an Myanmar in mir hoch, sind doch die ganzen Häuser in der Bahnhofsstraße im Kolonialstil erbaut.

 

 

 

 

Noch schöner sind jedoch die beiden alten Lokomotiven davor.

Um 10 Uhr habe ich die ersten 30 km geschafft und gönne mir ein Frühstück. Rührei mit Brot. Das ist doch mal ein Anfang. Der Rest des Tages steht unter dem Motto "auskundschaften für nächstes Jahr". Ergebnis: genug Resorts, zum Teil aber stark überteuert, zumindest was meine Vorstellungen und mein Budget betrifft. Andererseits aber auch überraschenderweise mehr Möglichkeiten zum wild campen als im Süden.



Als "Scenic Route" angekündigt, überrascht die Strecke am Nachmittag mit einem richtigen Radweg. Die nächste Zeit folgen noch mehrere derart gekennzeichneten Abschnitte. Den Radler freut´s;-)

Am Nachmittag finde ich ein paar wirlich abgelegene Strandabschnitte, an denen ich nächstes Jahr campen und damit Geld sparen könnte.


By the way, ist schon interessant manchmal sich selber zu beobachten. Sitze gerade in einer Kneipe, die hauptsächlich von 50+ Aussteigern aus Europa besucht wird. Hauptsächlich englisch sprechend, aber auch Deutsche. Als Musik Pink Floyd, Rolling Stones, etc. Bin zwar auch in der Altersklasse, aber die Musik hat mir vor 30 Jahren a bisserl was gegeben. Ich gehöre definitiv nicht zu den Leuten, die so eine Art von Musik hören und sich dann daran erinnern, wie "stoned" sie damals waren. Mit allem Respekt, so "hängen geblieben" möchte ich nicht sein. Außerdem verstehe ich nichts von Musik. Ich höre sie nur. Guter R&B oder Trance wäre mir jetzt lieber. Ich steh einfach nicht auf dieses Althippiegetue.

Was ich damit sagen will: ich merke, wie mich diese Musik aggressiv macht. Einfach nicht mein Ding. Ohne Wertung.

Am Ende des Tages und mehr als 90 km finde ich eine Unterkunft. In der Nähe findet gerade ein Sonntagsmarkt statt und da ich seit dem Rührei nichts gegessen habe, lasse ich mir von der Dame rechts einen Papayasalat "phet-phet" - also wirklich "thai-spicy" machen. Davor gibt´s sowas wie frittierte Kartoffelsticks und für das Frühstück kaufe ich mir eine Melone und Ananas.


Die Nacht verbringe ich mehr schlecht als recht damit, immer wieder aufzuwachen und die Klimaanlage an- oder auszuschalten.

Mein wahres Problem zeigt sich am nächsten Tag. Ich habe wieder zu wenig gegessen. Zumindest was die Kohlehydrate betrifft.

Nachdem mir meine sterbliche Hülle gestern eine dermaßen klare Ansage gemacht hat, daß es so nicht mehr weitergeht, habe ich damit begonnen, wieder regelmässig zu essen. Will ja schließlich auch, wie Kalle, mein norwegischer Nachbar, noch mit 70 Jahren sportlich aktiv sein. Er ist kurz davor. mit seinen nordischen Skates die Distanz einer Weltumrundung zu realisieren.

Während des Tages hatte sich noch zusätzlich meine Nase immer mehr verstopft angefühlt. Bis ich am Abend, mit zunehmenden Atembeschwerden, endlich darauf kam, daß der Ventilator, den ich auf mein Bett gerichtet hatte, dafür verantwortlich war. Die reinste Staubschleuder. Danach besserte sich sowohl die Nase als auch die Lunge. Klar, Stauballergiker...

Heute morgen bekam ich noch ein leckeres Frühstück und schon konnte es wieder losgehen. Gestern noch am Boden, wollte ich heute unbedingt weiter. Neues sehen. Neues erleben. Das ist der eigentliche Virus. Die eigentliche Sucht. Immer weiter. Die Welt ist viel zu groß. Hat viel zu viel schöne Plätze. So viel nette und interessante Menschen. Immer wieder neue kleine Welten. Ähnlichkeiten. Essen, Gerüche, Geräusche, Sprachen, Gesichtsausdrücke, Reaktionen.

 

Erst heute habe ich mich wieder dabei ertappt zu denken, in einer Woche geht´s zurück. Patrick hat mich gefragt, ob ich mich freue. Bettina schrieb "genieße es in vollen Zügen".

 

Weder noch. Meine Gefühle sind ganz im Lot. Ich weiß nur, daß ich immer mehr solche Zeit möchte. Deswegen werde ich es auch leben. Intensiv. An guten und an schlechten Tagen. Mit allen Konsequenzen. Die letzten drei Monate waren der Testlauf. Jetzt geht es ans optimieren. Ich habe sehr viele Fehler gemacht. Aber bis jetzt ist alles gut gegangen. Ein Fehler auf der Straße kann Dich das Leben kosten. Da muß ich noch viel konzentrierter werden. Nicht so impulsiv.

Dann die Randbedingungen. Diebstahl kommt vor, darf aber nicht unter solchen Umständen. Statt einer Kreditkarte zukünftig 3+. Mehr Bargeld. Mehr Verstecke. Mehr essen. Mehr feilschen. Mehr campen. Mehr Garküchen. Weniger Restaurants. Weniger Bier.

 

Unterwegs triffst Du immer wieder Typen, die Dir selber ähneln. Die irgendeine Idee umsetzen. Die, mit dem gewissen Glanz in den Augen. Die, die vielleicht wirklich frei sind. Die, die zuhause als "nicht normal" bezeichnet werden. Die, die nie für ein konventionelles Leben zu begeistern waren oder die gemerkt haben, daß es für sie nicht funktioniert. Wenn Du die triffst, weißt Du plötzlich, es gibt Deine Welt. Die, in der Du leben möchtest. Auf Deine Art. Mit Deinen Mitteln. Nach Deinen Regeln, zumindest solange bist Du ins nächste Dorf kommst oder mit den nächsten Menschen zu tun hast. Keine "9-to-5-Job" mit zu abzeptierenden Überstunden, kein täglicher Stau zwischen Heumaden und Sillenbuch. Kein "hire und fire". Kein kollektiver Hass auf irgendwas. Keine Träume, die man erst als Rentner realisieren möchte und dann nicht mehr kann.

Die, die dieses andere Leben einmal ausprobiert haben und genau wie ich davon infiziert sind. Die es immer wieder tun müssen. Aufstehen, Ausrüstung zusammenpacken und zurück auf die Straße. Intensives, einfaches, ehrliches, ökologisches Leben. Möglichst wenig Spuren hinterlassen. Und wenn, dann in den Herzen und Köpfen der Menschen, denen Du begegnest oder die Dich auf Deiner Reise begleiten.

Der Tag wird mir als fast unheimlich still in Erinnerung bleiben. Alles scheint im Fluß. Ich radle durch scheinbar friedliche, idyllische Gegenden. Viel Kokospalmen. Bei zwei Thais halte ich an. Lasse mir zeigen, wie sie die Nüsse von der Schale befreien. Bekomme als zweites Frühstück eine frisch von der Palme geerntete Frucht. Geöffnet und trinkfertig. Ein zweite findet den Weg in die Packtasche. Als ich bezahlen will, winkt sie ab.

Ab Mittag radle ich fast nur noch an der Küste entlang. Herrlicher Wind erfrischt mich von rechts. Eine tolle Perspektive jagt die nächste. Am Ende erreiche ich ganz gelöst mein Tagesziel gegen 15 Uhr und gönne mir erst mal ein leckeres grünes Curry mit Reis. Gegen 18 Uhr esse ich ein weiteres Mal. Es geht ans optimereren...



Fazit:


Der Tag gibt mir das Gefühl, daß mit regelmäßigem essen auch der Spaß zurück kommt. Ob das wirklich so ist, werden die letzten fünf Tage zeigen. Noch 350 km bis Bangkok. Der Virus ist in mir, nun muß ich die Randbedingungen noch verbessern...

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Kommentare: 3
  • #1

    manne (Mittwoch, 04 März 2015 11:08)

    Mein freund!
    Geniese die letzten tage, , eindrücke...alles !
    Deine ansichten, deine worte verstehe ich immer mehr....
    Freu mich darauf, dich bald derhoim begrüßen zu können!

    Manne

  • #2

    Dirk Blume (Mittwoch, 04 März 2015 12:22)

    @danke Mampfred...bis bald uff dr Kellerschdieg...ich hoff´s goad dr guad;-)

  • #3

    mampfrehd (Mittwoch, 04 März 2015 13:44)

    Am allerliebschda ghoods mr guad!
    I hann dui eidennschtgläser schoo gschbüld :-)