Richtung Myanmar

Überraschung! Wie ihr unschwer am Schild erkennen könnt, ergab sich heute kurzfristig die Möglichkeit von der eigentlichen Strecke Richtung Bangkok abzuweichen. Gelegenheit macht Diebe, wer weiß das besser als ich. Und da ich mich ja gerne etwas sprunghaft gebe, beziehungsweise von den Geschehnissen hinreissen lasse, bin ich links abgebogen. Das war heute morgen, keine Stunde nachdem ich mein herrliches Quartier von letzte Nacht verlassen hatte.

Nicht ohne einen Mocca aus der hauseigenen GONG-Coffee Rösterei verköstigt zu haben. Nächstes Jahr werde ich auf dem Weg in den Süden ein paar Tage im Gong Valley verbringen. Selten habe ich so gut geschlafen. Noch nie zuvor hatte ich so eine tolle Dschungel-Stimmung um mich herum. Dezentes Froschquaken die ganze Nacht. Direkt unter meinem Bungalow. Nun weiß ich auch wie meine letzte Behausung aussehen wird.

Genau so wie meine Bleibe letzte Nacht. Reicht völlig. Mehr brauch ich nicht mehr, wenn ich meine Weltumradlung überlebe. Ehrlich gesagt, habe ich heute morgen auch kurz überlegt, einen Tag Ruhepause einzulegen. Hinterher ist man immer schlauer.

 

Richtig gefreut habe ich mich heute morgen, als ich meinen kleinen Freund von gestern wieder beobachtet habe. Morgens wirkt er ausgeruht und alles geht etwas besser. Als er dann plötzlich auf die Idee kam, seinem Herrchen zu folgen, lief er ziemlich schnell los und hatte dabei deutlich weniger Koordinationsschwierigkeiten. Spaß am Leben hat er trotzdem. Das sieht man.

Nach Kra Buri, der Ort, zu dem auch das Gong Valley gehört, waren es nur 4 km. Von der Karte her, war mir bewußt, daß ich nun immer näher an die burmesische Grenze kommen würde. Als dann das Schild rechts auftauchte, war klar: ich muß nochmal einen Blick rüberwerfen, in dieses wunderbare Land. Gesagt, getan. Rein nach Kra Buri und immer die Hauptstraße lang. Vorbei an einer nach allen Seiten offenen Hochzeithalle, wo schon die ersten Heiratswilligen vorgefahren wurden. Wenn´s schön macht. An dem Tag auf jeden Fall. Kurz danach hatte ich das Ende der Straße erreicht.

Wehmut befiel mich. Wie gerne hätte ich einfach mit einem der Fährboote übergesetzt. In den tiefsten Süden. Dort wo kein Reisender sein darf. Da, wo die Rebellen in den Bergregionen herrschen. Mit denen hätte ich mich schon verstanden ;-). Einer der Fährleute muß die Sehnsucht in meinen Augen gesehen haben. Lachend lud er mich ein, mich überzusetzen. Schnell drehte ich mein Reiserad, um ihm die Myanmar-Flagge an meinem hinteren Schutzblech, als Zeichen meines vorangegangenen Aufenthalts, zu zeigen. Überrascht von meinen eigenen Emotionen, beschloss ich in diesem Moment, ich werde zurückkehren ins Land des roten Staubs.

Frühstück. Darauf hatte ich mich so richtig gefreut. Bei Pim in Bang Niang hatte ich die kleinen Reisbällchen vor Tagen das erste Mal probiert. Nun komme ich direkt an einer der Produktionsstätten vorbei. Wie lecker. Sofort kaufe ich beide Schälchen mit noch warmen Exemplaren. Eines verschwindet sofort in meinem Mund. Hmmmmmm. Genial. Ein älterer Thai gesellt sich zu uns. Woher ich komme? Stuttgart. Ah, das kennt er vom Fussball. Ob er das nächstes Jahr auch noch sagen kann?

Dem Rezept komme ich dann auch langsam auf die Spur. Reis oder Kokosflocken in Kokosmilch eingeweicht und mit der Schöpfkelle in die heißen Formen gegossen. Dazu Zimt und Zucker. Kann sein, daß die Kokosmilch bereits mit Zucker gesüßt wird. Müßte man mal probieren. Und die Form? Woher kriegen wir die? Die Hausfrauen und Hobbyköche sind gefragt.

Wieder ein paar Kilometer weiter, erreiche ich den Isthmus von Kra. Nochmals verlasse ich die Straße, um links zum Grenzfluß runterzuradeln. Schnell finde ich ein ruhiges Plätzchen direkt am Wasser.

Während ich die beiden Schälchen mit den Kokosleckereien verzehre, beobachte ich langsam dahintreibende Holztücke und Baumstämme.

Danach beginnt das Drama des heutigen Tages. Es ist einfach eine Katastrophe heute mit dem radeln. Nichts geht. Einer der Gründe, ist der recht späte Start heute nach 9 Uhr gewesen. Man sollte als früher Vogel seinen Biorythmus nutzen. Aber was nützt das, wenn die handgewaschene Radlerhose noch nicht trocken ist? 11 Uhr und 20 km sind gerade geschafft. Der Hals schmerzt, wenn ich nicht trinke und meine Glieder fühlen sich auch nicht besonders an. Also kein Kilometerziel bis zum Mittag. Ich nenne das "sightseeing". Ich erlaube mir einfach zu fahren, so langsam ich will. Den Druck rausnehmen. Kurz nach meiner Neuausrichtung, komme ich durch das Dorf der Momos. Ein Stand am anderen. Essen kaufen nach Belieben, als nächste Motivationsspritze. Die Hitze nimmt zu. Mein Hals wird trocken. Beim anhalten werde ich begrüßt, ich will antworten, doch der Schmerz läßt es nicht zu. Also kalte Getränke kaufen. Und ein Eis dazu. Zurück auf die Straße. Kurz nach 12 Uhr. Gliederschmerzen, Kraftlosigkeit, Grübeln, Schluckbeschwerden.

Nächste Motivationsspritze: ich entscheide mich für eine Trinkorgie. Eine Flasche eiskaltes Wasser habe ich noch in der Packtasche, eine weitere kaufe ich zusammen mit einer ebenso temperierten O-Saft-Flasche. Dann wird hemmungslos getrunken. Unter einem schattigen Dach mit frischem Wind. Der hatte mir die letzte halbe Stunde auch noch zugesetzt. Frontal von vorne. Du fährst wie gegen eine Wand.

Nebenher lade ich mein iPhone und entdecke auf Facebook den Kommentar meines alten Freundes Basso Lordi, seines Zeichens Italiener und Koch von "beste Tomatensoße von Welt". Schwöre.


Ein kleiner Dialog entsteht, den ich Euch nicht vorenthalten will. Weil solche Dinge so eine Unternehmung immer wieder bewußt oder unbewußt beeinflussen.


Als ich keinen Durst mehr habe, lege ich mich auf die Bank und schlafe ein. Werde wach und schlafe weiter. Das geht so bis um zwei Uhr.

Ein Blick zum Himmel. Leicht bewölkt. Immer wieder verschwindet die Sonne hinter den Wolken. Jetzt oder nie. Zurück auf die Straße. In die Pedale treten. Fühlt sich etwas besser an. Meine Augen schmerzen nicht mehr so sehr. Es läuft besser. Die Strecke führt leicht bergab. Der Wind kommt immer noch von vorne. Meine Gedanken landen wieder bei Basso. Der meint das so, wie er es schreibt. Herrlich. Wenn der wüßte, wie er mir damit geholfen hat. Menschen, die an einen glauben. Die einen motivieren, wenn man es selber nicht mehr hinbekommt. Es gibt solche Tage. Da brauchst Du Hilfe von draußen. Du kannst Dich drauf verlassen. Sie kommt. Von irgendwoher. Heute kam sie aus Heilbronn. Via Facebook. Danke dafür!

Mit viel Kampf und Wille schaffe ich es bis kurz vor Chumphon. Veranstalte noch ein Trinkorgie und nehme das erstbeste Zimmer, das ich bekommen kann. Mit großen und kleinen Ameisen. Den großen habe ich draußen Fressen hingelegt, die kleinen laufen übers Bett. Nach einem Beutel Aspirinpulver scheint es mir besser zu gehen. Morgen früh gibt´s heiße Zitrone. Meine Augen schmerzen immer noch. Irgendwas habe ich mir eingefangen. Aber das kriege ich auch wieder los. Noch 465 km bis Bangkok und 9 Tage Zeit. Alles im grünen Bereich. Zur Not auch ein Tag Pause.


Kommentar schreiben

Kommentare: 3
  • #1

    Stefan (Ostf) (Sonntag, 01 März 2015 11:21)

    Hi Dirk,
    gute Besserung!!
    (Wer weiß schon, wozu es gut ist...;-)

    Lieben Gruß and big hug.
    S. :-)

  • #2

    Jürgen (Sonntag, 01 März 2015 16:46)

    Na mein Großer.....wirst doch jetzt nicht schlapp machen...9 Tage vor der Rückkehr zum ganz normalen Wahnsinn. Damit Du nicht noch auf die Idee kommst, Dir hier einen Job zu suchen..ich bin seit heute 10 Jahre im Unternehmen...und das Hamsterrad dreht sich...schneller als je zuvor....Also einen Gang runter schalten und die Tage genießen..
    VG aus B

  • #3

    Didi (Montag, 02 März 2015 10:16)

    Hi Dirk,
    alles Gute & viele Gruesse aus Bruessel !!
    Pass' auf Dich auf.
    Didi