Yin und Yang - geben und nehmen

Gestern vor dem Schlafen, habe ich mich entschlossen Polarnacht in Thailand zu spielen. Klimaanlage hochdrehen und nackt aufs Bett legen ;-)... Bin kurz vor dem Erfrieren aufgewacht, war dafür aber heute morgen taufrisch.


Der pathologische Befund gestern abend per iPad-Kamera hat mich nicht länger zögern lassen, meinen Sattel heute morgen noch vor dem Frühstück deutlich anders einzustellen, um weitere Blutbäder und Wundänder am und vor dem Allerwertesten deutlich zu reduzieren. Und es hat etwas gebracht. Die Kraftübertragung war signifikant besser und die Schmerzen deutlich weniger.


Also bin ich mit großer Hoffnung zurück auf die Straße, nur um nach der ersten Ecke von Mama Thai lachend mit den Worten "Faraaaang - NO!" begrüßt zu werden. Wegen der Fröhlichkeit, mit der mir diese Worte entgegen geschleudert wurden, habe ich es nicht als Ausländerfeindlichkeit gewertet. Geht ja auch gar nicht. Denn alle sind Ausländer. Fast überall :-). Und da ich mich sowieso als Weltenbürger betrachte, ist alles gut.


Kaum auf der Piste, treffe ich auf drei Radler (nein, nicht die zum trinken). Thailändische! Cool! Wir fotografieren uns gegenseitig, mein Rohloff-Getriebe wird bestaunt und ich erzähle den Burschen natürlich meine ersten Schlangenbegegnungen, um deren Einschätzung in Erfahrung zu bringen.


Doch oh Wunder - Schlangen?

Kein großes Ding...


Lizards!


Die sind die wirklichen "Monster". Riesenechsen, die im hohen Dickicht der Uferböschungen im Verborgenen leben. Na denn, denke ich und vergesse es auch wieder. Bis gegen ca. 10 Uhr. Da raschelt es plötzlich hinter mir im Unterholz, ich schaue erstaunt zurück und sehe nur noch wie sich so ein Jurassic Park Statist die Böschung runter flüchtet. Das war ein Dingens! Meine Herren!

Im Nachhinein ist mir jetzt auch klar, daß es gestern bereits zweimal keine große Ratten gewesen waren, sondern ebenfalls Monitor Lizards neben mir im Dickicht. So wie es da geraschelt hat, dachte ich noch, das waren aber große Ratten..


Der Anfangselan lässt mit steigender Hitze nach, ich komme trotzdem gut vorwärts und als ich dann zur Mittagspause noch eine detaillierte thailändische Strassenkarte für 3 € erstehe, bin ich glücklich. Aber nicht nur deswegen. Mir wird wieder bewußt, warum ich diese Art des Lebens so liebe.


Ist man mal raus aus den Großstädten und kommt aufs Land, dann wird es immer ruhiger. Man hört oft nur den Fahrtwind, spürt gegen mittag wie sich Außentemperatur und Körpertemperatur angleichen, man diesbezüglich "eins" wird mit der Umwelt. Dann dieses viele Grün. Beruhigend. Stundenlanges schweigen. Fast schon meditativ. Die Gedanken verflüchtigen sich. Ehrliche, ökologisch saubere Arbeit. Für niemand Anderen. Nur für mich selbst. Nur mit Muskelkraft. Kein essen aus Langeweile. Kein Hunger vor Hitze. Durst. Oft nur Wasser. Zur Belohnung auch mal einen Eistee oder einen Eiskaffee. Freundliche Gesichter. Freundlicher Empfang. Gegenseitige Rücksichtnahme ohne eine gemeinsame Sprache, dafür mit einem Gefühl für den Anderen und seine Situation. Selbst die Hunde scheinen sich asiatisch gleichmütig zu verhalten. Kein Hungerneid. Keine Kämpfe ums Essen. Nur Blicke werden getauscht. Man hat das gleiche Schicksal, den gleichen Kampf ums Überleben. Warum also auch noch gegeneinander?


Als ich durch Chai Nat rolle, kann ich plötzlich nicht mehr schalten. Das hatte ich im Frühjahr auch schon. Und tatsächlich, eine Schraube hat sich gelöst und ich habe sie verloren. Damals dachte ich noch: merk Dir das, wenn das auf einer größeren Tour passiert, mußt Du Ersatzschrauben dabei haben. Kosten ja nix, die Dinger. Also gleich zwei mitgekauft. Damals. Und dann geht´s wieder los, wie gestern. Wenn man anfängt darauf zu achten, hat man einen Riesenspaß im Leben. Klappt daheim nur irgendwie nicht. Also was meine ich?


Ich fahr links an den schattigen Straßenrand. Genau vor einen Radladen. Das meine ich. Du mußt ihn nicht mehr suchen. Er ist einfach da. Ich lege mein ganzes Werkzeug und meine Ersatzteile auf dem Gehweg aus. Und wie ich es mir dachte: die beiden Schrauben haben die Reise nicht mitgemacht. Okay. Dann die identische zweite Schraube auch noch rausdrehen und damit rein in den Radladen. Aber aufpassen Mr. Bean. Es sind zwar nur 8 Stufen, aber wir haben schon andere Dinge geschafft. Nicht auszudenken, wenn ich das Muster jetzt auch noch verliere. Eine junge Thai lächelt mich an, denkt kurz nach und kommt mit allen verfügbaren Tütchen mit Schrauben zurück. Schnell haben wir eine mit dem richtigen Durchmesser aber leider einem viel zu langen Gewinde. Dann müssen "wir" sie kürzen. Die Thai kommt mit einem Werkzeug zurück, das ich nicht benennen kann. Sie will nicht und Mr. Bean denkt: " boah neh und jetzt ich mit dem Gerät"...in Gedanken seh ich amputierte Gliedmaßen anstatt der Schraubengewinde...und überall Blut...


Der Nachbar. Ich hatte den schon von Anfang an in Betracht gezogen. Werkstatt. Schweres Gerät. Einer der weiß, was er tut. Und in der Tat. Er kürzt die Schraube mit einer einfachen Metallsäge, ich versuche Sie festzuziehen. Geht nicht. War mir ja klar. Mann kann nicht einfach nur kürzen. Zweiter Versuch. Mann kann doch ;-)


Ich bedanke mich bei Beiden überschwänglich. Das ich nichts zahlen muß, ist asiatische Ehrensache. NEHMEN.


Ich radel raus aus der Stadt auf den Highway. Plötzlich zieht ein thailändischer Reiseradler an mir vorbei. Er fragt mich wohin, ich überlege und sage "Mae Sot" und schon ist er weg. Ich denke noch, der ist sowieso viel schneller. Senke wieder den Blick und radel weiter. Plötzlich, vor mir ein Schlag! Ein Pickup hat eine Tonne verloren. Genau als er neben dem Radler von eben fuhr. Ich denke: "so schnell kanns gehen - Final Destination", nur das dem Radler nichts passiert ist. Der Radler schaut zurück zur Tonne und fährt weiter. Der Pickup hält an, weil er gemerkt hat, daß er was verloren hat.


Ich halte an und schnappe die Tonne mit rechts, gib meinem Pferd die Sporen und überreiche Sie dem verdutzten Pickup-Fahrer, der sich zutiefst dankbar zeigt.

GEBEN.


Keine 5 Minuten später werde ich von einem Moped mit Junge und Mädel drauf überholt. Kurze Zeit später liegt eine Basecap auf dem Seitenstreifen. Ich fahr daran vorbei und bemerke erst dann, daß das Moped 50 m nach der Mütze ebenfalls angehalten hat. Als ich sie erreiche, wird mir klar, wem die Mütze gehört. Ich drehe um, radel zurück und bringe den Beiden die Cap. GEBEN.


Noch gut 35 km bis zu einem Nature Resort, das ich mir für heute als Quartier ausgesucht habe. Deswegen hat mich die Karte auch so glücklich gemacht, da ich seit heute weiß, wo Unterkünfte kommen. Zumindest die Großen. Ich weiß nicht, ob Ihr Euch vorstellen könnt, wie es ist, nach getaner Arbeit nicht heimgehen zu können, weil ihr Euer Zuhause erst noch suchen müßt. Das ist manchmal schon eine große Belastung.


28 km sind vorüber, als ich mir zur Belohnung einen Eiskaffee gönne und nochmal die Karte studiere, weil es jetzt tricky wird, die richtige Abfahrt zu finden. Und wenn ich mich jetzt noch verfahre - nach mehr als 80 km - dann ist jeder km doppelt anstrengend. Gerade als ich die Dose aufmache kommt? Der schnelle Radler, der nicht von der Tonne erschlagen wurde. Es ist ein Thai, der drei oder vier Worte englisch spricht. Er will wissen, wo ich schlafe. Ich versuche es ihm zu erklären. Ich denke er will nun auch dorthin. Ich soll vorfahren. Der Langsame, riesige "Farang" ;-). Und der clevere Thai im Windschatten. Doof ist er ja nicht, denke ich. Ich nehme die nächste Highwayabfahrt. Danach geht es aber für mein Gefühl in die falsche Richtung. Also anhalten, Karte studieren. Der Thai telefoniert. Plötzlich fragt er mich ob 400 Baht okay seien. Ich kapiere... Ja, klar. Irgendein Hotel. Mir doch egal. Bingo. Nun bedeute ich ihm, er solle vorfahren. Er hat telefoniert, er weiß mit wem und wo die wohnen. Ich versuche zu folgen. Wieder ein Schild. Ich verstehe "300m links"...obwohl es auf thai ist. Er telefoniert. Unter dem Schild war eine Telefonnummer. Er fragt: "350 Baht?". Ja, klar. Noch billiger. 2 Minuten später hat jeder seine Hütte.


NEHMEN.


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