India is great !
So stand es vor mehr als zwei Wochen auf jedem zweiten LKW. Mehr als hundert Lastwagen stauten sich vor der Grenze nach Nepal rechts am Straßenrand. Schon damals war ich skeptisch. Zu viel mag ich einfach nicht. Weder zu viel Lärm, noch zu viele Menschen, zu viel Verkehr, zu viel Nähe oder zu viel Neugierde. Darjeeling war da eine willkommene Flucht. Fühlte sich weiterhin an wie Nepal. War nur zu kalt.
Irgend etwas will mir das Leben seit mehr als drei Monaten klarmachen. Ich komm nur nicht drauf was. Vielleicht nur: "wer weiß wozu es gut ist?".
Bei meinen drei vorangegangenen Touren 2008, 2011 und 2015 hatte ich in der Summe nicht so viele unvorhergesehene Ereignisse wie dieses Mal.
Doch jetzt nimmt es anscheinend kein Ende. Als da wären in chronologischer Reihenfolge:
- in Kathmandu angekommen montiere ich mein Vorderrad falsch herum
- nach Mustang hoch stürze ich und mein Kettenblatt wird verbogen
- bei einer Abfahrt versagen meine Vorderradbremsen
- ein paar Tage später reißt die Kette
- ich schaffe es nicht mein Ziel Lo Manthang mit dem Fahrrad zu erreichen
- auf dem Weg zurück schrammt der Busfahrer mit meinem Bike auf dem Dach einen Felsen. Mein Sattel und mein Gepäckträger werden zerstört
- in Pokhara warte ich mehr als drei Wochen auf meine Ersatzteile aus Deutschland
- als die Teile in Kathmandu angekommen sind, werden sie nicht nach Pokhara weitergeleitet
- in Kathmandu bebt eines Morgens die Erde
- an meinem Vorbau bricht eine Schraube ab, ich benötige einen neuen Vorbau
- eine hochgiftige Krait liegt plötzlich vor mir auf der Straße
- in Darjeeling bricht eine Speiche
- einen Tag vor Weihnachten wird das mir bereits zugesagte Permit für die Strecke Indien / Myanmar plötzlich verwehrt
- in Sikkim versagen erneut meine Vorerradbremsen
- ein Jeep rammt mich
- drei andere Fahrzeuge drängen mich von der Straße ab
- heute morgen bebt die Erde genau dort, wo ich gewesen wäre, wenn ich das Permit für die Grenzüberquerung von Indien nach Myanmar bekommen hätte
Vielleicht ist es einfach nur das Leben, das ich jetzt viel bewußter wahrnehme. Vieleicht ist es das, was man Abenteuer nennt. Vielleicht soll es mir doch etwas sagen. Ich weiß nur nicht was.
Vielleicht kann mich aber auch einfach nichts aufhalten, auf meinem Weg.
Immer weiter.
Bis zum Ende.
Das ist sicher.
Das Bike ist verpackt.
Das Taxi zum Flughafen ist für morgen früh 8 Uhr bestellt.
Um kurz nach 12 Uhr geht mein Flug über Kalkutta nach Bangkok.
Die Freiheit, aufzubrechen, wohin ich will
Mein Unterwegssein hat wenige Richtlinien. Eine davon ist von den Bedingungen des Abenteuers definiert: erstens, dass ich dorthin gehe, wo die anderen nicht sind; zweitens, dass ich mich von der Neugierde leiten lasse; drittens, dass ich bis zur Grenze gehe; viertens dass ich riskiere, verändert oder nicht wieder zurückzukommen und fünftens, dass ich dem Weg meines Herzens folge.
(Reinhold Messner)
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