Seelenverkäufer und Schmuggler

Als wir endlich abgelegt haben, ist das Erste, was einer der Amateure macht, mein Gepäck, das mir zu Füßen liegt, wieder woanders hinzustellen. Was natürlich weiter für Unruhe an Bord sorgt. Dann klappt er mehrere, miteinander verbundene Bodenbretter hoch und fängt an, das in das undichte Boot eingedrungene Wasser von Hand wieder ins Meer zu schöpfen. Mein Gefühl, eine falsche Entscheidung getroffen zu haben, wird stärker.

 

Ich hätte es wissen müssen. Schon als wir nach siebenstündiger Speedbootfahrt in Kawthaung ankommen und kaum das Boot verlassen haben, verbreiten die Jungs, die uns von hier mit dem Longtailboot rüber über den Fluss nach Thailand bringen werden, eine Riesenhektik. Ich mag das nicht. Profis bleiben cool. Hektiker überdecken ihre Unsicherheit.

 

Zumindest hier. Zunächst beginnt alles positiv. Einer der Kerle bringt mich ins Immigration Office und rennt für mich zum Copyshop, um meinen Pass zu kopieren. Alles wunderbar.

 

Doch dann wird auf Geschwindigkeit gedrängt, die nicht zu dem passt, was danach alles passiert. Als ich schon in dem kleinen Boot sitze und zahlen soll, habe ich nur Khiat (burmesische Währung). Die Jungs wollen aber 200 Baht. Ich gebe ihnen 6.000 Khiat. Beim Wortwechsel erfahre ich, daß ich meine 50.000 Khiat in Thailand nicht mehr in Baht zurückgewechselt bekommen. Und das sind immerhin 50 €. Also nochmal raus aus dem Boot und direkt am Pier alle Khiat in Baht zurückgewechselt. Natürlich zu einem schlechten Kurs. Als mir klar wird, das es um ein paar Cent geht, willige ich schließlich in den schlechten Deal ein. Zurück zum Boot, wo die Jungs weiter Hektik verbreiten und wild mit den Armen fuchteln. Dann legen wir ab, um gleich danach an anderer Stelle wieder anzulegen. Einer muss nochmal mit unseren Pässen an Land und kommt mit zwei länglichen Päckchen zurück.


Wieder wird abgelegt und auf Zurufen vom Ufer, wo wahre Menschentrauben das Ganze beobachten, ein weiteres Mal angelegt. Diesmal wird noch ein weiterer Passagier mit an Bord geholt. Ich werde langsam sauer und rufe dem Erstbesten zu, daß wir jetzt endlich nach Thailand rübermachen sollen! Es ist weniger die Zeit, als vielmehr mein Bauchgefühl, das mir sagt, dass die Herrschaften hier nichts im Griff haben. Frei nach dem Motto: 5 Freunde und ein Boot. Wir kaufen eins und spielen Fährmann.

 

Einer der Crew ist beim letzten Stopp am Ufer geblieben. Ausgerechnet der Steuermann. Dass das nicht geplant war, wird schnell transparent. Der Ersatzmann hat´s nämlich nicht drauf!

 

Als wir endlich Fahrt aufnehmen, suche ich in der Ferne das thailändische Ufer. Nach einer Weile wird mir klar, daß das keine Fahrt von 10 Minuten wird, denn die Flußmündung, die Thailand von Myanmar trennt, mutet wie der Beginn des offenen Meers an.


Ich meine, ich bin ja nicht leicht zu erschrecken. Vorausgesetzt ich habe die Situation selbst herbeigeführt. Was mir hier aber nicht gefällt, ist diese Machtlosigkeit. Mit fünf anderen Passagieren in einer Nussschale. Um uns rum nur Diletanten. Und die verbreiten auch noch Hektik.


Richtung Flussmitte werden die Wellen höher und kommen von links. Und was macht der Steuermann, der Vollidiot? Er fährt prallel zu den Wellen und nimmt das Gas weg! Ich befürchte echt früher oder später zu kentern. Ein Longtailboot überholt uns. Was macht der Vollidiot aus Hilflosigkeit? Er versucht dem anderen Boot hinterher zu fahren. Ich meine, es muß ja einen Grund geben, warum der schneller war und ist. Denkzwerg!


Irgendwann werden die Wellen kleiner. Nach wie vor werden wir aber rechts und links überholt. Bei den thailändischen Grenzern angekommen, eskaliert dann der Streit zwischen der Thailänderin hinter mir und dem jungen Burmesen, der unsere Pässe hat. Auf dem Höhepunkt des Streits drückt sie ihm voller Wut ihren Finger ins Gesicht. Ihr Mann unterstützt sie verbal. Ich bin wohl nicht der Einzige, der merkt, dass hier wortwörtlich etwas aus dem Ruder läuft. Kurz bevor sie aufeinander losgehen, schlichte ich.


Das Ablegemanöver toppt unerwarteterweise nochmals den Dilettantismus des Steuermanns. Es geht eben doch noch schlechter.


An der thailändischen Immigration geht das Fiasko weiter. Wir legen an, aber sechs Boote, die nach uns anlegen, sind ratzfatz auch wieder weg. Nur wir nicht. Oh Mann, wie fühle ich mich ohnmächtig. Om. Om. Geduld. Geduld. Langsam komme ich runter. Sage mir: "irgendwann werden wir ankommen und dann ist Alles in 2 Minuten vergessen"...


Und so ist es. Ranong begrüßt mich mit Fischgeruch, geschlossenen Lokalen und Totentanz. Der Tag ist gelaufen. Die Überfahrt hat mehr als 1 Stunde gedauert.

Und ich habe den ganzen Tag noch nichts gegessen. Da, ein Schild. Ko Phayam Pier. Da will ich hin. Also fahre ich die Seitenstrasse rein. Das letzte Speedboot geht um 17 Uhr 30. Jetzt ist es 16 Uhr 30. 350 Baht kostet der Trip. Ich radel erst mal zur Bank. Als ich zurückkomme, ist Schicht im Schacht. Kein Speedboot fährt mehr. Warum, wird mir am nächsten Tag klar.


Keine 200 m von der Anlegestelle entfernt ist ein Guesthouse. 350 Baht. 8 Euro. Das nehme ich. Danach fahre ich noch ein paar hundert Meter, esse etwas und trinke mein erstes Bier dieses Jahr. Es schmeckt nicht. Ebenso wenig wie das Snickers und die Käsecracker, die ich mir in einem kleinen Laden noch mitnehme. Gutes Zeichen. Guter Anfang.

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Kommentare: 5
  • #1

    Stefan / Ostfildern (Donnerstag, 15 Januar 2015 14:53)


    Hi Dirk,
    geht halt nix über ein paar gute Linsen und Spätzle, gell... ;-).
    wenn du wieder im Schwabenländle bist, - bisch gerne
    bei mir dazu eingeladen.
    Dir weiterhin eine gute Fahrt, & take care mate.
    Stefan=)

  • #2

    dirk (Donnerstag, 15 Januar 2015 14:59)

    @Stefan: danke für all Deine positiven und motivierenden Posts! Wir gehen zusammen erst mal zum Dimi, wenn ich zurück bin, MATE!

  • #3

    stefan (Donnerstag, 15 Januar 2015 15:12)

    Einverstanden! :-)

  • #4

    Jametta (Freitag, 16 Januar 2015 16:19)

    Hey Dirk,
    spannend und lustig zu lesen. Wünsch weiterhin happy endings.

  • #5

    Dirk (Samstag, 17 Januar 2015 12:39)

    Hey Jametta!

    freut mich zu von Dir zu lesen...ja, bis jetzt läuft alles echt gut...bei Dir hoffentlich auch!

    Liebe Grüße